Jyseleca®

Filgotinib

15.10.2020


Inhibitor der Januskinase 1
Für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben, steht nun mit Filgotinib (Jyseleca®) eine neue Therapieoption zur Verfügung. Der Inhibitor der Januskinase 1 (JAK1) kann als Monotherapeutikum oder in Kombination mit Methotrexat angewendet werden.

Filgotinib 

ATC-Code

L: Antineoplastische und immunmodulierende Mittel


L04: Immunsuppressiva


L04A: Immunsuppressiva


L04AA: Selektive Immunsuppressiva


L04AA45: Filgotinib


Wirkungsmechanismus

Januskinasen (JAK) sind zytoplasmatische Tyrosinkinasen. Sie leiten Signale von Zytokinen und Wachstumsfaktoren weiter, die unter anderem eine wichtige Rolle bei immunologischen und inflammatorischen Prozessen sowie bei der Hämatopoese spielen. Die JAK-Enzymfamilie umfasst die vier Mitglieder JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 (non-receptor tyrosine-protein kinase 2) mit sich überschneidenden Funktionen. Nach dem Andocken eines Signalmoleküls an Zytokin-Rezeptoren phosphorylieren sie sogenannte STAT-Proteine (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) und bewirken so eine Aktivierung des JAK-STAT-Signalwegs. Die phosphorylierten STAT-Proteine wandern als Dimere zum Zellkern, wo sie als Transkriptionsfaktoren die Replikation spezifischer Zielgene stimulieren. JAK1 ist für Signalwege von inflammatorischen Zytokinen von Bedeutung, JAK2 für die Myelo- und Erythropoese, JAK3 für die Immunüberwachung sowie die Lymphozytenfunktion. Filgotinib ist ein Adenosintriphosphat(ATP)-kompetitiver und reversibler JAK-Inhibitor. Die Substanz hemmt JAK1 etwa fünffach stärker als JAK2, JAK3 und TYK2, wobei bevorzugt die JAK1-/JAK3-vermittelte Signalkaskade inhibiert wird. Als Folge kommt es zu einer reduzierten Signalübertragung, ausgelöst durch die Interleukine IL-2, IL-4, IL-6 und IL-15 sowie durch Typ-I-Interferone.


Der Hauptmetabolit von Filgotinib GS-829845 war in In-vitro-Assays etwa zehnfach weniger effektiv als die Muttersubstanz, zeigte jedoch eine ähnliche Selektivität für JAK1.

Pharmakokinetik

Resorption: Nach peroraler Anwendung treten innerhalb von zwei bis drei Stunden maximale Filgotinib-Plasmaspiegel auf. Der entsprechende Wert für den pharmakologisch aktiven Hauptmetaboliten liegt bei fünf Stunden. Eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme hat keinen relevanten Einfluss auf die Bioverfügbarkeit.


Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung von Filgotinib wird mit 50 bis 59% angegeben, die des aktiven Metaboliten mit 39 bis 44%. Beide Substanzen sind Substrate des Effluxtransporters P-Glykoprotein (P-gp).


Metabolismus: Filgotinib unterliegt einer ausgeprägten Biotransformation durch die Carboxylesterase CES2, in geringerem Ausmaß auch durch CES1. In erster Linie entsteht der pharmakologisch aktive Metabolit GS-829845.


Exkretion: 87% der Dosis erscheinen im Urin, 9,4% als unverändertes Filgotinib. 15% der verabreichten Menge werden im Stuhl wiedergefunden. Die Eliminationshalbwertszeit von Filgotinib beträgt sieben, die von GS-829845 19 Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Filgotinib wird normalerweise einmal täglich in einer Dosis von 200 mg unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Falls schwerwiegende Infektionen auftreten, ist bis zum Eintritt der Besserung eine Behandlungsunterbrechung angeraten. Wegen begrenzter Erfahrungen sollte die Therapie von Patienten über 75 Jahre mit einer Anfangsdosis von einmal täglich 100 mg eingeleitet werden. Dies ist auch die Richtdosis für Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Niereninsuffizienz. Zur Behandlung von Patienten mit terminaler Nieren- sowie mit schwerer Leberfunktionsstörung sind bislang keine Daten verfügbar, sodass der Einsatz von Filgotinib bei diesen Personenkreisen derzeit nicht empfohlen wird. Auch sind Sicherheit und Wirksamkeit für die Therapie von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren noch nicht erwiesen.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Filgotinib, aktiver Tuberkulose, anderen aktiven schwerwiegenden Infektionen sowie während der Schwangerschaft besteht eine Kontraindikation. Zudem sollte die Behandlung bei Patienten mit einer absoluten Lymphozytenzahl von weniger als 0,5 × 109 Zellen/l, einer absoluten Neutrophilenzahl von weniger als 1 × 109 Zellen/l oder einem Hämoglobinspiegel von weniger als 8 g/dl nicht begonnen werden. Falls dies im Verlauf der Therapie eintritt, ist die Anwendung von Filgotinib bis zur Erholung der Werte zu unterbrechen.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Behandlung mit Filgotinib kommt es häufig zu Infektionen der Harn- und der oberen Atemwege sowie zu Schwindelgefühlen und Übelkeit. Gelegentlich wird über Herpes-zoster-Infektionen, Pneumonie, Neutropenie, Hypercholesterolämie und über erhöhte Kreatinphosphokinase-Werte berichtet.

Wechselwirkungen

Arzneistoffe wie Fenofibrat, Carvedilol, Diltiazem oder Simvastatin sind zumindest in vitro Hemmstoffe des wichtigsten Filgotinib-Biotransformationsenzyms CES2. Bislang wurde die klinische Relevanz dieses Sachverhalts jedoch nicht geprüft, sodass beim kombinierten Einsatz der Substanzen zunächst Vorsicht geboten ist. Auch zeigten In-vitro-Untersuchungen mit Filgotinib eine Induktion von CYP2B6, eine Induktion oder Inhibition von CYP1A2 und eine Inhibition der Effluxtransporter P-Glykoprotein (P-gp), Breast Cancer Resistance Protein (BCRP) und der Organo-Anion-Transporter 1B1 und 1B3. Die Interaktionen mit den Transportern werden teilweise auch auf den aktiven Metaboliten GS-829845 zurückgeführt. Bis zur Durchführung geeigneter klinischer Wechselwirkungsstudien sollte der gemeinsame Einsatz von Substraten dieser Biotransformationsenzyme und/oder Transporter unter engmaschiger Beobachtung stattfinden. Von der gleichzeitigen Anwendung von OATP1B1- bzw. OATP1B3-Substraten wie Valsartan oder Statinen wird wegen des Risikos von verstärkten Nebenwirkungen derzeit abgeraten. Der kombinierte Einsatz von Filgotinib mit Immunsuppressiva wie Azathioprin, Ciclosporin, Tacrolimus und biologischen DMARDs oder anderen JAK-Inhibitoren wird nicht empfohlen, da das Risiko einer verstärkten Immunsuppression besteht. Ebenso ist die Anwendung von Lebendimpfstoffen während oder unmittelbar vor einer Filgotinib-Behandlung zu vermeiden. Alle erforderlichen Impfungen sollten möglichst bereits vor Therapiebeginn durchgeführt werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Die Filgotinib-Behandlung ist mit schweren, möglicherweise tödlich verlaufenden Infektionen wie Pneumonie oder Herpes zoster assoziiert. Auch kann es zu opportunistischen Infektionen wie Tuberkulose, oraler bzw. ösophagealer Candidose und Kryptokokkose kommen. Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infektionen, Tuberkulose-Exposition sowie mit schweren oder opportunistischen Infektionen sollten nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung mit Filgotinib therapiert werden. Dies gilt auch für Personen nach Aufenthalt in Gebieten mit endemischer Tuberkulose oder bei Vorliegen endemischer Mykosen sowie von Grunderkrankungen, bei denen eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen besteht. Vor Therapiebeginn ist ein Screening auf Tuberkulose und virale Hepatitis durchzuführen, da gegebenenfalls eine Überwachung auf mögliche Reaktivierungen stattfinden muss. Immunmodulatorische Arzneimittel wie Filgotinib können das bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ohnehin erhöhte Risiko für maligne Erkrankungen zusätzlich steigern. Entsprechend vorbelastete Personen sollten daher nur nach Nutzen-Risiko-Abschätzung und unter regelmäßiger Überwachung mit Filgotinib behandelt werden. Die Therapie ist ferner mit einem Anstieg der Lipidwerte verbunden, allerdings liegen noch keine Erkenntnisse zu einer hierdurch potenziell verstärkten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität vor. Während der Behandlung mit JAK-Inhibitoren wie Filgotinib besteht die Gefahr tiefer Venenthrombosen und Lungenembolien. Bei entsprechender Prädisposition wie höherem Alter, Adipositas oder längerer Immobilisierung ist besondere Vorsicht geboten.

Schwangerschaft und Stillzeit

Filgotinib darf bei Schwangeren nicht eingesetzt werden. Im Tierexperiment kam es zu Reproduktionstoxizität und anderen Schädigungen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis zu einer Woche nach Beendigung einer Filgotinib-Therapie eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Aufgrund fehlender Daten zur Anwendung der Substanz während der Stillzeit kann derzeit ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden. Zur Sicherheit muss daher eine Entscheidung getroffen werden, ob auf das Stillen oder die Behandlung mit dem JAK-Inhibitor verzichtet werden soll. Vor der Behandlung sollte bei Männern das mit Filgotinib potenziell assoziierte Risiko einer verringerten Fertilität oder Infertilität aufgrund einer reduzierten Spermienproduktion besprochen werden.

Handelspräparat Jyseleca® 

Hersteller

Gilead Sciences GmbH, Martinsried

Einführungsdatum

15. Oktober 2020

Zusammensetzung

100 mg bzw. 200 mg Filgotinib als Filgotinibmaleat

Sonstige Bestandteile

mikrokristalline Cellulose, Lactose-Monohydrat, vorverkleisterte Stärke, hochdisperses Siliciumdioxid, Fumarsäure, Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol, Talkum, Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2O (E172), Eisen(III)-oxid (E172)

Packungsgrößen, Preise, PZN

30 Filmtabletten à 100 mg, 1343,71 Euro, PZN 16731438;
3 × 30 Filmtabletten à 100 mg, 3933,30 Euro, PZN 16731444;
30 Filmtabletten à 200 mg, 1343,71 Euro, PZN 16731450;
3 × 30 Filmtabletten à 200 mg, 3933,30 Euro, PZN 16731467

Indikation

Mittelschwere bis schwere aktive rheumatoide Arthritis bei erwachsenen Patienten, die auf ein oder mehrere krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARD) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Filgotinib kann als Monotherapeutikum oder in Kombination mit Methotrexat angewendet werden.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 200 mg einmal täglich.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Filgotinib, aktive Tuberkulose, andere aktive schwerwiegende Infektionen, Schwangerschaft

Unerwünschte Wirkungen

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen sind Übelkeit (3,5%), Infektionen der oberen Atemwege (3,3%), Infektionen des Harntrakts (1,7%) und Schwindelgefühle (1,2%).

Wechselwirkungen

Eine Induktion von CYP2B6 sowie eine Induktion oder Inhibition von CYP1A2 durch Filgotinib können derzeit nicht ausgeschlossen werden. Ebenso ist die Substanz möglicherweise ein Inhibitor der Transporter P-gp, BCRP, OATP1B1 und OATP1B3. Bei kombinierter Anwendung von entsprechenden Substraten mit geringer therapeutischer Breite ist daher Vorsicht geboten.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Bei Patienten, die Filgotinib erhielten, wurden schwere Infektionen, darunter auch solche mit tödlichem Ausgang, berichtet. Vor Therapiebeginn ist ein Tuberkulose-Screening durchzuführen. In klinischen Studien kam es unter einer Filgotinib-Therapie zu Virusreaktivierungen, beispielsweise von Herpesviren, zu erhöhten Lipidwerten sowie zu tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien.

Literatur

[1] Fachinformation zu Jyseleca®, Stand September 2020


[2] Genovese MC, Kalunian K, Gottenberg JE, Mozaffarian N et al. Effect of Filgotinib vs Placebo on Clinical Response in Patients With Moderate to Severe Rheumatoid Arthritis Refractory to Disease-Modifying Antirheumatic Drug Therapy: The FINCH 2 Randomized Clinical Trial. JAMA 2019;322(4):315-325


[3] Lee YH, Song GG. Comparative efficacy and safety of tofacitinib, baricitinib, upadacitinib, filgotinib and peficitinib as monotherapy for active rheumatoid arthritis. J Clin Pharm Ther 2020;45(4):674-681


[4] EPAR smmary for the public. Jyseleca® Filgotinib. EMA/420605/2020; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2021-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

02/2021

Apothekerin Dr. Monika Neubeck